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Wer ist vom BFSG betroffen? Die €2 Millionen Grenze erklärt

18. September 20258 Min. Lesezeit
Wer ist vom BFSG betroffen? Die €2 Millionen Grenze erklärt

Die häufigste Frage von Unternehmern zum BFSG lautet: "Bin ich überhaupt betroffen?" Die Antwort ist komplexer als gedacht, denn das Gesetz unterscheidet zwischen Produktherstellern und Dienstleistern, kennt Schwellenwerte für Mikrounternehmen und macht Ausnahmen, die Ausnahmen haben. Diese detaillierte Analyse bringt Klarheit in die Verwirrung[1][2].

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Die Grundregel: B2C-Geschäft = BFSG-Betroffenheit

Das BFSG gilt grundsätzlich für alle Unternehmen, die digitale Produkte oder Dienstleistungen für Verbraucher anbieten. Der entscheidende Begriff ist "für Verbraucher" - B2B-Services sind ausgenommen[3].

✅ Definitiv betroffen (ohne Ausnahme):

  • E-Commerce jeder Größe: Online-Shops, Marktplätze, Buchungsportale
  • Finanzdienstleister für Verbraucher: Online-Banking, Versicherungen, PayPal etc.
  • Telekommunikationsanbieter: Mobilfunk, Internet, VoIP, Messaging
  • Streaming und Medien: Netflix, Spotify, YouTube (kommerzielle Kanäle)
  • Transport und Mobilität: DB Navigator, Uber, Taxi-Apps
  • Gesundheitswesen: Arzttermin-Apps, Online-Apotheken

❌ Nicht betroffen:

  • Reine B2B-Anbieter: CRM-Software nur für Unternehmen, Industrieanlagen
  • Interne Tools: Mitarbeiterportale, Intranet-Systeme
  • Öffentliche Einrichtungen: Bereits durch BITV 2.0 geregelt

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Die €2 Millionen Grenze: Mikrounternehmen-Ausnahme im Detail

Hier wird es kompliziert: Das BFSG kennt eine Ausnahmeregelung für Mikrounternehmen, aber diese gilt nur für Dienstleister, nicht für Produkthersteller[4].

Mikrounternehmen-Ausnahme (§ 3 Abs. 3 BFSG):

Ein Unternehmen ist als Mikrounternehmen von der Dienstleistungsrichtlinie ausgenommen, wenn es beide Kriterien erfüllt:

KriteriumSchwellenwertBerechnungsgrundlage
Mitarbeiter< 10 PersonenVollzeit-Äquivalente, Jahresschnitt
Finanzen< 2 Mio. €Jahresumsatz oder Bilanzsumme

⚠️ Kritische Ausnahme: Produkthersteller

Auch Mikrounternehmen müssen BFSG-konforme Produkte herstellen! Die Ausnahme gilt nur für Dienstleistungsanbieter[5].

Beispiel-Szenarien:

Szenario 1: Online-Shop (5 Mitarbeiter, 800k€ Umsatz)

  • ✅ Ausnahme: Ist Mikrounternehmen, betreibt nur Dienstleistung (Shop-Platform)
  • Ergebnis: Nicht BFSG-pflichtig

Szenario 2: App-Entwickler (8 Mitarbeiter, 1,5 Mio€ Umsatz)

  • ❌ Keine Ausnahme: Stellt Software-Produkte für Verbraucher her
  • Ergebnis: Vollständig BFSG-pflichtig

Szenario 3: Beratungsagentur mit eigenem CMS (12 Mitarbeiter)

  • ❌ Keine Ausnahme: Überschreitet Mitarbeiter-Schwelle
  • Ergebnis: Vollständig BFSG-pflichtig

Dienstleister vs. Produkthersteller: Die entscheidende Unterscheidung

Das BFSG behandelt Dienstleister und Produkthersteller völlig unterschiedlich. Diese Unterscheidung entscheidet über Ihre Betroffenheit.

Dienstleister (können Mikrounternehmen-Ausnahme nutzen):

  • Online-Plattformen: Vermittlung zwischen Dritten
  • Software-as-a-Service: Cloudbasierte Anwendungen ohne eigenständige Software
  • Finanzdienstleistungen: Banking, Versicherungen, Payment-Processing
  • Telekommunikation: Internet-, Telefon-, Messaging-Services

Produkthersteller (keine Mikrounternehmen-Ausnahme):

  • Software-Entwicklung: Apps, Programme, Browser-Extensions
  • Hardware-Produkte: Computer, Smartphones, Terminals
  • E-Books und digitale Medien: Eigenständige digitale Inhalte
  • Medizinprodukte: Apps für Gesundheitszwecke

Grauzone: Hybrid-Unternehmen

Viele Unternehmen sind sowohl Dienstleister als auch Produkthersteller. Ein Online-Shop mit eigener App ist beispielsweise in beiden Kategorien tätig. In solchen Fällen greifen die strengeren Produkthersteller-Regeln.

Konkrete Betroffenheits-Matrix: 15 typische Unternehmenstypen

UnternehmenstypMitarbeiterUmsatzKategorieBFSG-Pflicht
Freelancer-Shop1300k€Dienstleister❌ Ausgenommen
Startup E-Commerce81,5 Mio€Dienstleister❌ Ausgenommen
Mittelständischer Händler255 Mio€Dienstleister✅ Pflichtig
App-Entwickler (Klein)5800k€Produkthersteller✅ Pflichtig
SaaS-Startup122,5 Mio€Dienstleister✅ Pflichtig
Online-Bank4515 Mio€Dienstleister✅ Pflichtig
Software-Firma3500k€Produkthersteller✅ Pflichtig
Streaming-Service81,2 Mio€Dienstleister❌ Ausgenommen
Gaming-Studio153 Mio€Produkthersteller✅ Pflichtig
Telecom-Provider20050 Mio€Dienstleister✅ Pflichtig
Hardware-Startup6900k€Produkthersteller✅ Pflichtig
Fitness-App4400k€Produkthersteller✅ Pflichtig
Booking-Portal184 Mio€Dienstleister✅ Pflichtig
B2B-Software358 Mio€Nicht B2C❌ Nicht betroffen
Medien-Startup91,8 Mio€Produkthersteller✅ Pflichtig

Sonderfälle und Graubereiche

Fall 1: Franchise-Unternehmen

Problem: Ist der Franchise-Nehmer oder der Franchise-Geber verantwortlich? Lösung: Beide sind betroffen - der Geber für die Systemsoftware, der Nehmer für seinen lokalen Online-Auftritt.

Fall 2: Marktplatz-Händler

Problem: Muss der Händler auf fremden Plattformen (Amazon, eBay) BFSG-konform sein? Lösung: Nein, die Plattform ist verantwortlich. Eigene Websites müssen jedoch konform sein.

Fall 3: White-Label-Services

Problem: Wer ist verantwortlich - der Anbieter oder der White-Label-Partner? Lösung: Derjenige, der den Service unter eigenem Namen an Verbraucher verkauft.

Fall 4: Internationale Unternehmen

Problem: Gilt BFSG für ausländische Anbieter mit deutschen Kunden? Lösung: Ja, wenn sie deutschen Verbrauchern Dienstleistungen anbieten.

✅ Praktischer Tipp: Der 3-Fragen-Test

1. Verkaufen Sie direkt an Endkunden (B2C)?

2. Stellen Sie Software/Apps her oder nur Services bereit?

3. Haben Sie mehr als 10 Mitarbeiter oder 2 Mio€ Umsatz?

Falls alle Antworten "Ja": Sie sind definitiv BFSG-pflichtig.

Häufige Fehleinschätzungen vermeiden

Mythos 1: "Kleine Unternehmen sind grundsätzlich ausgenommen"

Falsch. Produkthersteller sind unabhängig von der Größe betroffen.

Mythos 2: "B2B-Bereich ist komplett BFSG-frei"

Ungenau. Auch B2B-Anbieter können betroffen sein, wenn sie zusätzlich Endkundengeschäft betreiben.

Mythos 3: "Nur deutsche Unternehmen müssen BFSG befolgen"

Falsch. Alle Anbieter, die deutsche Verbraucher bedienen, sind betroffen.

Mythos 4: "Marktplatz-Händler sind automatisch befreit"

Teilweise falsch. Nur auf der Plattform selbst - eigene Websites müssen konform sein.

Betroffenheits-Checkliste für Ihr Unternehmen

Schritt 1: Geschäftsmodell analysieren

  • Verkaufen wir direkt an Endkunden?
  • Stellen wir eigene Software/Apps bereit?
  • Betreiben wir eine eigene Website/App für Kunden?
  • Bieten wir nur B2B-Services an?

Schritt 2: Unternehmensgröße prüfen

  • Weniger als 10 Vollzeit-Mitarbeiter?
  • Jahresumsatz unter 2 Millionen Euro?
  • Bilanzsumme unter 2 Millionen Euro?
  • Sind wir reiner Dienstleister (keine Produktherstellung)?

Schritt 3: Betroffenheit ermitteln

  • Nicht betroffen: Reines B2B-Geschäft
  • Ausgenommen: Mikrounternehmen + reiner Dienstleister
  • Voll betroffen: Alle anderen Konstellationen

Schritt 4: Nächste Schritte planen

  • WCAG-Audit der bestehenden Website
  • Budget für Barrierefreiheit-Umsetzung
  • Zeitplan bis 28. Juni 2025
  • Rechtliche Beratung bei Unklarheiten

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Ich habe 8 Mitarbeiter und 1,8 Mio€ Umsatz. Bin ich als Online-Shop betroffen?

Nein, Sie fallen unter die Mikrounternehmen-Ausnahme, da Sie beide Schwellenwerte unterschreiten und als reiner Dienstleister (Shop-Betreiber) tätig sind.

Wir entwickeln Apps mit 6 Mitarbeitern und 900k€ Umsatz. Sind wir ausgenommen?

Nein, Sie sind betroffen. Als Produkthersteller (App-Entwicklung) gilt die Mikrounternehmen-Ausnahme nicht, unabhängig von Ihrer Größe.

Gilt die €2 Millionen Grenze für Umsatz oder Gewinn?

Für den Jahresumsatz (Gesamtertrag) oder alternativ die Bilanzsumme. Gewinn ist nicht relevant für die BFSG-Schwellenwerte.

Wir sind B2B-Anbieter, haben aber auch eine Kunden-Website. Sind wir betroffen?

Wenn die Website nur Informationen enthält (kein Verkauf/Service für Endkunden), sind Sie nicht betroffen. Bei Endkunden-Services schon.

Was passiert, wenn wir während des Jahres die Schwellenwerte überschreiten?

Die Bewertung erfolgt zum Stichtag 28. Juni 2025. Überschreiten Sie dann die Werte, sind Sie ab diesem Zeitpunkt verpflichtet.

Gelten die Schwellenwerte für Konzernunternehmen einzeln oder gemeinsam?

Jede rechtlich selbstständige Gesellschaft wird einzeln bewertet. Konzernstrukturen ändern nichts an den individuellen Schwellenwerten.

Wir verkaufen nur über Amazon/eBay. Müssen wir trotzdem BFSG-konform sein?

Nein, für den Verkauf auf fremden Plattformen ist die Plattform verantwortlich. Eigene Websites/Apps müssen jedoch konform sein.

Kann sich der Betroffenheits-Status nach 2025 noch ändern?

Ja, durch Unternehmenswachstum, Geschäftsmodell-Änderungen oder neue Rechtsprechung kann sich der Status ändern.

Nächste Schritte: Von der Analyse zur Umsetzung

Jetzt kennen Sie Ihren BFSG-Status. Falls Sie betroffen sind, ist schnelles Handeln gefragt. Der nächste Schritt ist eine professionelle WCAG-Analyse Ihrer digitalen Angebote.

Unsere Empfehlung: Lassen Sie uns gemeinsam Ihre konkrete Situation bewerten und einen maßgeschneiderten Compliance-Plan entwickeln.

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