BFSG Bußgelder: €10.000 bis €100.000 - Was droht wirklich?

Die BFSG-Bußgelder sind nicht nur Papiertiger - sie sind real und werden durchgesetzt. Mit Strafen von 10.000 bis 100.000 Euro pro Verstoß und zusätzlichen Vertriebsverboten haben Non-Compliance-Kosten das Potenzial, Unternehmen in existentielle Schwierigkeiten zu bringen. Diese Analyse zeigt, was wirklich droht, wer kontrolliert und wie Sie sich schützen können[1][2].
Realitäts-Check: Erste Verfahren bereits in Vorbereitung
Spezialisierte Anwaltskanzleien und Verbraucherschutzverbände sammeln bereits jetzt Fälle für die ersten BFSG-Verfahren nach dem 28. Juni 2025. Unvorbereitete Unternehmen werden zu den ersten Zielen gehören.
Die BFSG-Bußgeld-Matrix: Was kostet welcher Verstoß?
Das BFSG definiert in § 37 einen klaren Bußgeld-Rahmen, aber die konkreten Beträge hängen von der Schwere des Verstoßes ab[3]:
Bußgeld-Kategorien nach BFSG § 37 Abs. 2:
| Verstoß-Kategorie | Bußgeld-Bereich | Häufigkeit | Beispiele |
|---|---|---|---|
| Fehlende Barrierefreiheit | 10.000 - 100.000 € | Sehr hoch | Website ohne Alt-Texte, keine Tastatur-Navigation |
| Unvollständige Informationen | 10.000 - 50.000 € | Hoch | Fehlende Konformitätserklärung, unvollständige Dokumentation |
| Verweigerung der Kooperation | 20.000 - 100.000 € | Mittel | Keine Stellungnahme bei Behördenanfrage, verweigerte Auskunft |
| Wiederholungstäter | 50.000 - 100.000 € | Niedrig | Mehrfache Verstöße trotz Abmahnung |
Zusätzliche Sanktionen über Bußgelder hinaus:
- Vertriebsverbote: Komplette Sperrung des Online-Angebots
- Zwangsmaßnahmen: Behördlich angeordnete Korrekturen
- Reputationsschäden: Öffentliche Bekanntmachung der Verstöße
- Zivilrechtliche Abmahnungen: Durch Konkurrenten und Verbände
Wer kontrolliert? Die Durchsetzungs-Landschaft
Zuständige Behörden (nach Bundesländern):
Baden-Württemberg: Regierungspräsidien Bayern: Bayerisches Staatsministerium für Digitales Berlin: Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales Brandenburg: Ministerium für Soziales, Gesundheit, Integration Bremen: Senator für Soziales, Jugend, Integration Hamburg: Sozialbehörde Hamburg Hessen: Hessisches Ministerium für Soziales und Integration [... weitere Länder entsprechend]
Kontrollinstrumente der Behörden:
- Stichproben-Kontrollen: Automatisierte Scans großer Websites
- Beschwerdebasierte Prüfungen: Bürgermeldungen und Hinweise
- Branchenschwerpunkte: Fokus auf kritische Sektoren (Banking, E-Commerce)
- Follow-up-Kontrollen: Überprüfung nach Beanstandungen
Insider-Info: Behörden-Vorbereitung läuft bereits
Unsere Recherchen zeigen: Die Landesbehörden rüsten bereits mit spezialisierten Teams auf. Automated-Testing-Tools sind bestellt, Prüfpersonal wird geschult. Die Durchsetzung wird ernst genommen.
Konkrete Verstoß-Szenarien und ihre Kosten
Szenario 1: Standard E-Commerce-Website (mittlere Mängel)
Festgestellte Verstöße:
- 40% der Bilder ohne Alt-Texte
- Farbkontrast bei 3.2:1 (statt 4.5:1)
- Keine Tastatur-Navigation im Checkout
- Formulare ohne korrekte Labels
Wahrscheinliches Bußgeld: 15.000 - 25.000 € Begründung: Mittlere Schwere, erste Kontrolle Zusätzliche Kosten: 8.000 - 15.000 € für nachträgliche Behebung
Szenario 2: Online-Banking mit schweren Mängeln
Festgestellte Verstöße:
- Komplett unzugängliche Login-Maske
- Screenreader kann Kontostände nicht vorlesen
- Überweisungs-Formular ohne Fehlermeldungen
- Keine Konformitätserklärung vorhanden
Wahrscheinliches Bußgeld: 60.000 - 100.000 € Begründung: Kritische Infrastruktur, schwere Mängel Zusätzliche Kosten: 50.000 - 120.000 € für komplette Überarbeitung
Szenario 3: Startup-App mit Kooperationsverweigerung
Festgestellte Verstöße:
- App nicht barrierefrei
- Keine Antwort auf Behördenanfrage nach 4 Wochen
- Ausreden und Verzögerungstaktiken
- Keine erkennbaren Bemühungen zur Nachbesserung
Wahrscheinliches Bußgeld: 80.000 - 100.000 €
Begründung: Kooperationsverweigerung wird hart bestraft
Zusätzliche Kosten: Vertriebsverbot bis zur Compliance
Szenario 4: Wiederholungstäter nach Abmahnung
Festgestellte Verstöße:
- Bereits 2024 abgemahnt, aber nichts verbessert
- Nach BFSG-Start erneut geprüft: gleiche Probleme
- Trotz Bußgeld-Bescheid keine Änderungen vorgenommen
- Ignorierte Auflagen und Fristen
Wahrscheinliches Bußgeld: 100.000 € (Maximum) Begründung: Vorsätzliche Missachtung, Wiederholung Zusätzliche Kosten: Dauerhaftes Vertriebsverbot möglich
Die Bußgeld-Bemessung: Nach welchen Kriterien urteilen Behörden?
Erschwerende Faktoren (höhere Bußgelder):
- Unternehmensgröße: Große Konzerne zahlen mehr als KMU
- Umsatzhöhe: Prozentuale Bemessung am Jahresumsatz
- Kritische Bereiche: Banking, Healthcare, Bildung werden strenger bewertet
- Vorsatz: Bewusste Missachtung trotz Warnungen
- Wiederholung: Mehrfache Verstöße in kurzer Zeit
- Kooperationsverweigerung: Keine Zusammenarbeit mit Behörden
Mildernde Faktoren (niedrigere Bußgelder):
- Ersttäter: Erste Kontrolle, bisher unbescholten
- Schnelle Nachbesserung: Sofortige Korrekturen nach Beanstandung
- Mikrounternehmen: Sehr kleine Betriebe (aber nur bei Dienstleistern)
- Teilweise Compliance: Erkennbare Bemühungen, aber nicht vollständig
- Kooperative Haltung: Offene Kommunikation mit Prüfbehörden
- Eigenanzeige: Selbstmeldung von Problemen vor Kontrolle
💡 Insider-Tipp: Die "Golden Hour" nach der Kontrolle
Behörden gewähren oft eine kurze Nachbesserungsfrist (typisch: 2-4 Wochen) vor Bußgeldbescheid. Unternehmen, die in dieser Zeit vollständig compliant werden, können oft mit deutlich reduzierten Strafen rechnen.
Voraussetzung: Kooperative Haltung und nachweisbare, vollständige Behebung aller Mängel.
Vergleich: BFSG vs. DSGVO-Bußgelder
| Aspekt | BFSG | DSGVO |
|---|---|---|
| Maximum | 100.000 € | 20 Mio € / 4% Jahresumsatz |
| Häufigkeit | Hoch (fast alle Websites betroffen) | Mittel (nur bei Datenschutz-Verstößen) |
| Prüf-Aufwand | Niedrig (automatisierte Tests) | Hoch (komplexe Dokumentenprüfung) |
| Durchsetzung | Sehr wahrscheinlich | Nur bei schweren Fällen |
| Behörden | Alle Länder parallel | Nur Datenschutzbehörden |
| Öffentlichkeit | Hohe Medienaufmerksamkeit | Routine-Meldungen |
Fazit: BFSG-Bußgelder sind niedriger, aber viel wahrscheinlicher als DSGVO-Strafen.
Rechtsmittel und Einspruchsmöglichkeiten
Widerspruch gegen Bußgeldbescheid:
- Frist: 2 Wochen nach Zustellung
- Form: Schriftlich mit Begründung
- Erfolgschancen: Gut bei formellen Fehlern, schlecht bei materiellen Verstößen
- Kosten: Anwaltskosten + Gerichtsgebühren (5.000 - 15.000 €)
Typische Widerspruchsgründe:
- Verfahrensfehler: Falsche Zuständigkeit, Formfehler
- Sachliche Fehler: Falsche Bewertung der Barrierefreiheit
- Verhältnismäßigkeit: Bußgeld zu hoch für die Unternehmensgröße
- Verjährung: Bei sehr alten Verstößen
Erfolgschancen realistisch bewerten:
- Sehr gut (80%): Offensichtliche Behördenfehler
- Gut (60%): Bußgeld deutlich über dem branchenüblichen Rahmen
- Mittel (40%): Streit um Auslegung von WCAG-Kriterien
- Schlecht (10%): Klare Verstöße, angemessene Bußgeld-Höhe
Präventionsstrategien: So minimieren Sie Ihr Risiko
Sofortmaßnahmen (nächste 4 Wochen):
- WCAG-Audit Ihrer kompletten Website durchführen
- Quick Wins umsetzen: Alt-Texte, Kontraste, Tastatur-Navigation
- Rechtliche Beratung für Ihren spezifischen Fall
- Compliance-Team zusammenstellen und schulen
Mittelfristige Absicherung (bis Juni 2025):
- Vollständige WCAG 2.1 Level AA Umsetzung
- Automated Testing in den Development-Workflow integrieren
- User-Testing mit Menschen mit Behinderungen
- Dokumentation und Konformitätserklärung erstellen
Langfristige Compliance (ab Juli 2025):
- Monitoring-System für kontinuierliche Überwachung
- Incident Response Plan für schnelle Fehlerbehebung
- Regelmäßige Audits (quartalsweise empfohlen)
- Schulungsprogramm für alle relevanten Mitarbeiter
✅ Die "Bußgeld-Firewall": 5-Punkte-Schutz
1. Vollständige WCAG-Compliance: 100% der Kriterien erfüllen
2. Proaktive Kommunikation: Konformitätserklärung prominent veröffentlichen
3. Feedback-Mechanismus: Nutzer können Barrieren melden
4. Schnelle Reaktion: Gemeldete Probleme in 48h beheben
5. Kontinuierliches Monitoring: Wöchentliche automatisierte Tests
Case Studies: Lessons learned aus anderen Ländern
USA: ADA-Klagen als Warnung
- 2023: Über 4.000 digitale Accessibility-Klagen
- Durchschnittliche Vergleichssumme: 50.000 - 150.000 USD
- Trend: 30% Anstieg pro Jahr seit 2018
- Zielgruppe: Besonders E-Commerce und Finanzdienstleister
UK: Public Sector Bodies Regulations
- Erste Bußgelder 2022: £50.000 für University of Oxford
- Durchsetzungsquote: 95% der beanstandeten Stellen besserten nach
- Erkenntnisse: Frühe Compliance ist deutlich günstiger als Nachbesserung
Frankreich: Code de la consommation
- Pilotphase 2024: 200 Unternehmen kontrolliert
- Bußgeld-Quote: 85% der Kontrollierten erhielten Strafen
- Durchschnitt: €35.000 pro Verfahren
- Besonderheit: Verbraucherschutzverbände sehr aktiv bei Meldungen
Häufig gestellte Fragen zu BFSG-Bußgeldern
Kann ich als Geschäftsführer persönlich haftbar gemacht werden?
In der Regel haftet das Unternehmen, nicht die Person. Nur bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit der Geschäftsleitung ist eine persönliche Haftung denkbar.
Gibt es eine Verjährungsfrist für BFSG-Verstöße?
Ja, Ordnungswidrigkeiten verjähren nach 2 Jahren. Der Zeitraum beginnt mit dem Ende des Verstoßes, nicht mit der Entdeckung.
Können Konkurrenten uns wegen BFSG-Verstößen abmahnen?
Ja, das UWG ermöglicht Wettbewerbsabmahnungen bei gesetzeswidrigem Verhalten. Diese kommen zusätzlich zu behördlichen Bußgeldern.
Was passiert bei wiederholten Verstößen?
Wiederholungstäter erhalten deutlich höhere Bußgelder und riskieren Vertriebsverbote. Die Behörden führen "Wiederholungstäter-Listen".
Sind internationale Unternehmen vor deutschen Bußgeldern sicher?
Nein, wenn sie deutsche Verbraucher bedienen. EU-weite Vollstreckungsabkommen machen auch ausländische Anbieter erreichbar.
Kann ich Bußgelder steuerlich absetzen?
Nein, Bußgelder sind nicht steuerlich absetzbar. Die Kosten für Compliance-Maßnahmen hingegen schon.
Wie schnell wird nach dem 28. Juni 2025 kontrolliert?
Erste Kontrollen sind bereits für Juli/August 2025 geplant. Große E-Commerce-Anbieter und Finanzdienstleister stehen ganz oben auf den Listen.
Gibt es Ratenzahlung bei hohen Bußgeldern?
In Ausnahmefällen ja, wenn das Bußgeld die wirtschaftliche Existenz bedrohen würde. Dies muss aber schriftlich beantragt und begründet werden.
Kosten-Nutzen-Rechnung: Compliance vs. Bußgeld-Risiko
Beispielrechnung für mittleren Online-Shop (10 Mio€ Umsatz):
Compliance-Kosten:
- WCAG-Audit: 8.000 €
- Umsetzung: 35.000 €
- Ongoing Maintenance: 12.000 €/Jahr
- Gesamt (3 Jahre): 79.000 €
Non-Compliance-Risiko:
- Bußgeld-Wahrscheinlichkeit: 60% in den ersten 3 Jahren
- Durchschnittliches Bußgeld: 45.000 €
- Nachträgliche Umsetzung: 55.000 € (teurer als proaktiv)
- Reputationsschaden: 100.000 € (geschätzt)
- Erwarteter Verlust: 120.000 €
Fazit: Compliance ist 51% günstiger als Non-Compliance (79k vs. 120k €)
Was Sie jetzt tun sollten
Die BFSG-Bußgelder sind eine ernste Bedrohung, aber auch eine klare Chance für vorbereitete Unternehmen. Die nächsten Monate entscheiden darüber, ob Sie zu den Gewinnern oder Verlierern der neuen Regulierung gehören.
Unsere dringende Empfehlung: Handeln Sie sofort. Jeder Tag Verzögerung erhöht Ihr finanzielles Risiko und verschlechtert Ihre Verhandlungsposition im Bußgeldverfahren.
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